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Klimapolitik ohne demokratische Legitimation?

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Klimapolitik ohne demokratische Legitimation?

Bekanntlich hat es in den europäischen Staaten nie eine direkte demokratische Legitimation für die europäische Klimapolitik gegeben. Dabei geht es um staatliche Subventionen, Vorschriften und Verbote, die viele Milliarden an Steuergeldern kosten, tief in die Privatsphäre der Bürger eingreifen und deren Notwendigkeit wissenschaftlich umstritten ist. In einer repräsentativen Demokratie ist das nicht weiter erstaunlich, weil gewählte Repräsentanten in Parlamenten und Regierungen die politischen Entscheidungen treffen, nicht die Bürger selbst. Aber eine Politik gegen den erkennbaren Willen der Mehrheit der Bevölkerung gibt Anlass zur Besorgnis.

Seit einiger Zeit ist festzustellen, dass die Klimapolitik der Regierungen zunehmend in den Medien und bei Wahlen auf heftigen Widerstand trifft, weil im Bereich der Energiepolitik den einzelnen Bürgern die horrenden Kosten und massiven Einschränkungen für das eigene Leben erst mit großer Verzögerung bewusst werden. Beispielsweise würde ein Verbot von Heizungen mit Gas, Öl, Kohle oder Holz die Bürger in Mietwohnungen und Privathäusern mit vielen Milliarden Euro belasten, die für den erzwungenen Einbau von Elektroheizungen, bekannt als Wärmepumpen, aufzubringen wären. Zugleich hat noch niemand glaubhaft machen können, wie nach der angestrebten Energiewende die hierfür erforderlichen zusätzlichen Mengen an Strom produziert werden sollen, zumal die Elektrifizierung der Autoverkehrs parallel zu den klimafreundlichen Heizungen die Stromnetze massiv belasten wird. Bekanntlich gibt es in der nahen Zukunft noch zusätzliche Belastungen durch die Daten- und Kommunikationsökonomie. Einige Regierungen, vor allem in Frankreich, setzen auf die klimaneutrale Kernkraft. Doch andere, insbesondere in Deutschland und Österreich, lehnen Kernkraftwerke grundsätzlich ab oder werden noch lange warten müssen, bis neue Kernkraftwerke ans Netz gehen.

Seit einiger Zeit ist festzustellen, dass die Klimapolitik der Regierungen zunehmend in den Medien und bei Wahlen auf heftigen Widerstand trifft, weil im Bereich der Energiepolitik den einzelnen Bürgern die horrenden Kosten und massiven Einschränkungen für das eigene Leben erst mit großer Verzögerung bewusst werden.

Es sind aber nicht die massiven Rechenfehler in der Strompolitik, sondern es ist die Angst vor den Wählern, die beispielsweise in Deutschland dazu führt, dass im September 2023 ein Heizungsgesetz verabschiedet wurde, in dem fossile Brennstoffe für weitere Jahrzehnte zugelassen werden, obwohl man sie ursprünglich verbieten wollte. Um eine Katastrophe in der Stromversorgung abzuwenden, wird heute in Deutschland mehr Kohle in Kraftwerken verheizt als zuvor. Zusätzlich werden Verträge über Gaslieferungen aus arabischen Staaten abgeschlossen, obwohl deren Regierungen islamistische Organisationen wie Hamas und andere finanzieren. Gas und Öl aus Russland wird über Zwischenhändler in Asien weiterhin nach Deutschland geliefert. Das Versprechen einer Außenpolitik, die sich an Menschenrechten und Klimaneutralität orientiert, zählt nicht mehr. Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen Anfang Oktober sowie die aktuellen Meinungsumfragen zeigen, dass die Regierungskoalition in Berlin nur noch 35 Prozent Unterstützung bei den Wählern hat. 

Um eine Katastrophe in der Stromversorgung abzuwenden, wird heute in Deutschland mehr Kohle in Kraftwerken verheizt als zuvor.

In Frankreich strebt Präsident Emmanuel Macron an, die Energiepolitik wieder zu nationalisieren, um die französische Stromversorgung aus Kernkraft durchzusetzen. Ende September hatte er bereits zugesichert, dass Heizungen und Boiler, die mit Gas betrieben werden, keinesfalls verboten werden. In einem langen Fernsehinterview am 24. September 2023 sagte er, eine auf Fortschritt basierende Ökologie dürfe nicht unvereinbar sein mit einem produktiven und sozialen Modell wie dem unsrigen. Macron kämpft hier ganz offen gegen die deutsche Energiepolitik, die sich in der Europäischen Union gegen Frankreich richtet.

Auch der britische Premier Rishi Sunak hat jüngst die Klimapolitik seiner Regierung erheblich korrigiert, da seine Konservative Partei demnächst Parlamentswahlen zu bestehen hat und die Stimmung bei den konservativen Wählern ausgesprochen schlecht ist. Sunak versprach, das bereits festgelegte Ende der Gasheizungen sowie der Benzin- und Dieselmotoren in Autos um fünf Jahre zu verschieben. Die Klimaziele sollen erst viel später erreicht werden, weil sie unannehmbare Kosten für die einfachen Leute verursachen. Die Umstellung auf Elektroautos soll jetzt in Frankreich und Großbritannien davon abhängig gemacht werden, dass die Produktion von Batterien und anderen bislang aus China importierten Bauteilen im eigenen Land erfolgen kann.

Auch der britische Premier Rishi Sunak hat jüngst die Klimapolitik seiner Regierung erheblich korrigiert, da seine Konservative Partei demnächst Parlamentswahlen zu bestehen hat und die Stimmung bei den konservativen Wählern ausgesprochen schlecht ist.

Vermutlich wird sich der Unmut der Wähler 2024 auch auf die Wahlen zum Europäischen Parlament auswirken, denn fast überall in den Mitgliedsstaaten sind rechte oder sogar rechtsradikale Parteien im Aufwind, die gegen die aktuelle Klimapolitik und gegen den Green Deal der Europäischen Union von 2020 kämpfen, mit dem Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Die Mitte-rechts-Regierung von Giorgia Meloni in Italien kämpft seit längerem gegen diese Klimaziele, vor allem gegen die Vorschriften für die thermische Sanierung von Gebäuden und die forcierte Umstellung auf Elektrofahrzeuge.

Die treibenden Kräfte der Klimapolitik, vor allem die grünen und linken Politiker, versuchen derzeit, eine Balance zwischen Klimazielen und der Akzeptanz bei den Wählern zu finden. Sie sind jedoch nur zu vorübergehenden Kompromissen bereit und verlegen sich auf eine Taktik der kleinen Schritte und des politischen Machterhalts. Deshalb wurde das deutsche Heizungsgesetz erheblich abgeschwächt. Zugleich wurde jedoch eine Klausel eingefügt, wonach jede Stadt einen Wärmeplan erstellen muss. Da die linken und grünen Parteien in den großen Städten stark vertreten sind, ist vorhersehbar, dass dort künftig die Klimapolitik durchgesetzt werden soll, denn die großen Städte herrschen über die Gas- und Stromversorgung. Denkbar ist, dass Gas nicht mehr geliefert und dass Strom und die aus Strom generierte Fernwärme rationiert wird. Entsprechende Ankündigungen gibt es bereits, und technisch wäre das zweifellos möglich.

Die treibenden Kräfte der Klimapolitik, vor allem die grünen und linken Politiker, versuchen derzeit, eine Balance zwischen Klimazielen und der Akzeptanz bei den Wählern zu finden.

Die Konsequenzen der Energiewende zeichnen sich ab, sind aber für die Öffentlichkeit noch wenig sichtbar. Es ist zu erwarten, dass hohe Strompreise und eine wenig zuverlässige Versorgung viele Unternehmen zwingt, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Während man also versucht, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren (Stichwort de-risking) und wieder eigene Produktionskapazitäten aufzubauen, wird die Klimapolitik zu einer weiteren Deindustrialisierung Europas, oder zumindest der großen Industriestaaten wie Deutschland, führen.

Über die politischen Konsequenzen lässt sich derzeit nur spekulieren. Man denke an die nationale Revolte der „Gelbwesten“ (gilets jaunes) in Frankreich von 2018 und 2019, die von klimapolitischen Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel ausgelöst wurde. Es waren Hundert Tausende von LKW-Fahrern, Pendlern, Krankenpflegern und andere Geringverdiener in den ländlichen Regionen, die protestierten, weil sie auf ihre Autos angewiesen sind und sich nicht leisten können, die vom Staat hochsubventionierten Elektroautos zu kaufen. Die Regierung von Präsident Macron antwortete damals mit massiven Polizeieinsätzen und schließlich mit einem milliardenschweren, schuldenfinanzierten Sozialpaket. Zusätzlich wurde eine „große nationale Debatte“ über Sozial- und Wirtschaftsreformen angeboten, doch es bleibt unverkennbar eine Konfrontation der „kleinen Leute“ gegen die Eliten, denen vorgeworfen wird, das traditionelle Frankreich einer Globalisierung zu opfern, die nur den Reichen nützt.

In Deutschland sind mehr als zwei Drittel der Wähler gegen die rot-grüne Klimapolitik der Dekarbonisierung von Heizungen und des Straßenverkehrs. Das zeigen die Umfragen. Doch im Unterschied zu Frankreich und den Niederlanden, wo es immer wieder gewaltbereite Proteste gegen die ökologische Agrarpolitik gibt, bleibt es in Deutschland bislang bei Protesten an der Wahlurne. Rechte Parteien, insbesondere die Alternative für Deutschland (AfD), verzeichnen große Gewinne. Dabei setzt sich der rapide Verfall der Unterstützung für die Parteien der Berliner Regierung fort. Die politische Basis für die deutsche Klimapolitik ist instabil geworden.

Das gilt auch in vielen anderen europäischen Staaten, und es gilt vor allem für die Europäische Union, die durch die Covid-Pandemie sowie durch die Kriege in der Ukraine und in Nahost erheblich geschwächt wurde. Trotz großer Finanzhilfen auf beiden Kriegsschauplätzen bleibt ihr diplomatisches und militärisches Gewicht minimal. Diese Malaise ihrer inneren Konflikte stellt nun auch ihre Klimapolitik in Frage, vor allem ihren „Green Deal“, denn mit diesem Programm zur Dekarbonisierung sind für die Mitgliedstaaten und ihre Bürger riesige Kosten verbunden, deren Finanzierbarkeit in den Sternen steht. Fazit: Ohne demokratischen Konsens, ohne zuverlässige Stromversorgung und ohne gesicherte Finanzierung ist eine Fortsetzung der europäischen Klimapolitik schwer denkbar. Sie wird das Gewicht der EU auf der internationalen Bühne weiter schwächen.

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